Wotanismus

Die Germanen als solche sahen ihre Gottheiten nicht als "Heilige", so wie wir das heute aus anderen Glaubensrichtungen kennen, vielmehr waren ihre Götter Personifizierungen bestimmter Eigenschaften und Prinzipien, welche sie als besonders ehren-und verehrenswert betrachteten. Diese "Mächte" verbargen sich überall um einen herum: in der Natur, den Menschen, Gegenständen, grundsätzlich allem, was existierte, sozusagen in der Materie an sich. "Das Göttliche" der wirkenden Kräfte hieß bei ihnen "Das Got", es gab nicht "DEN Gott", viel eher kann man dieses Zusammenwirken als einen harmonischen Kreislauf betrachten. Wotan (protogerm.: Wotan = Der Wütende, Der Besessene) ist die oberste Gottesfigur des germanischen Glaubens. Da dieser Glaube aber nicht, wie zum Beispiel das Judeochristentum, monotheistisch geprägt ist, ist der "höchste" Gott nicht gleich der allmächtige und einzige. Aus mythologischer Sicht ist Wotan der Urvater der Germanen, welcher die Menschheit mit seinem "Odem" (= Atem; Wotan =Odin) belebt und ihnen einen Teil seines eigenen Blutes in die Adern geflößt hat. Neben einem Teil seiner Seele gab er den Menschen auch ein Stück ihrer Ahnen, welche ebenfalls durch das Blut im Körper wirkten (gleichzusetzen mit DNA).Jeder Germane war also zu einem gewissen Teil eine Vermenschlichung Wotans. Jedoch ist Wotan selbst, sowie das restliche Pantheon germanischer Gottheiten, dem Schicksal, dem "ewigen Gesetz", unterworfen und kann dieses nicht durch seine Macht oder seine Allwissenheit steuern, wie es der christliche Glaube von seinem Gott erwarten würde. Er will das Wissen des Schicksals ergründen, verstehen, es bewältigen, was ihn zu einer besonderen und gleichermaßen vorbildhaften Figur macht. Somit kann man eventuell besser verstehen, warum der Wotanismus überhaupt erstrebenswert ist, warum man den Weg Wotans überhaupt einschlagen will. Doch was ist überhaupt der "Weg" Wotans? Neben seiner Figur als "Urvater" ist Wotan ebenfalls der Gott der Götterdämmerung, der sich auf den letzten Kampf vorbereitet, um den Neuanfang des goldenen Zeitalters einzuläuten. Auch hierdurch erweist Wotan Volksnähe, wie bei seiner väterlichen Seite.
Das Wissen über das Sein, das Werden und das Vergehen kostet ihn eines seiner Augen, als er, um Weisheit zu erlangen, einen Schluck aus dem Weisheitsborn trinkt. Des weiteren fesselt er sich neun Tage lang an die Weltenesche Yggdrasil und verletzt sich mit seinem Speer, wofür er, sozusagen als Preis für sein Opfer, die Runen und ihre Weisheit erhält. Das ist eine der Etappen des Weges Wotans, welche man als Wotanist ebenfalls anstrebt: durch ein physisches Opfer erfährt man Wissen und dadurch folglich Stärke, Macht, Freiheit und Weisheit. Doch das "Wissen" an sich befindet sich in einem stetigen Fortschritt, da dieses prinzipiell nicht ausgeschöpft werden kann. Wissen ist dynamisch, es beinhaltet die Thematik des "Werdens" genauso wie die des "Vergehens". Da die Germanen an die Wiederauferstehung glauben, bildet sich ein Kreislauf, welchen man ebenfalls im Sonnensymbol gut erkennen kann: dieses trägt eine ewige energetische Dynamik in sich und spielt nicht umsonst eine so wichtige Rolle in diesem Glauben. Der Wotanist strebt nach dem Wissen beider Seiten, er schöpft aus beiden Thematiken. Jedoch steht der Wotanismus in seinem Wesen nicht für die Verherrlichung Wotans, da, wie bereits gesagt, im Heidentum eher Kräfte verehrt werden, sondern für die Vereinigung mit Wotan im Geiste, indem man seine Art der Erfahrungssammlung auch für sich nutzt, um ebenfalls nur für sich selbst zu erfahren. Man erkennt sich selbst in dieser Gottheit, ebenso wie sie einen selbst als Teil von sich erkennt und annimmt. Nicht umsonst ist Wotan nicht nur ein Herrscher, Anführer und Sturmgott, sondern auch ein Wanderer, Schamane und Poet.
Er gibt dem Wotanisten nicht vor, jemand Bestimmtes zu sein, da er sich selbst auf nichts festlegt, Wotan kann alles und nichts sein. Die Weisheit der Runen ist aber trotz dessen ein wichtiges Thema, wenn man sich für den Weg Wotans entscheidet, denn diese haben nicht nur eine schamanische Bedeutung. Auf ihnen basiert der ganze germanische Glaube, sie bilden sozusagen das Skelett von diesem und ermöglichen sein Fortwähren. Die meisten Menschen, welche sich heutzutage "Heiden" zu nennen pflegen, leben zufrieden mit ihrem sogenannten Wissen von den germanischen Göttern vor sich hin und machen sich keine Gedanken über Bedeutungen und Hintergründe. Diese Methorn-schwingenden Thorshammerträger wollen gar nicht erst erfahren, welche Hintergründe der Glaube mit sich bringt und diese bleiben ihnen dadurch selbstverständlich verwehrt. Durch den Wotanismus kann man das Göttliche in sich entdecken und somit die Götter am Leben erhalten. Er beinhaltet das Verständnis von naturgegebenen Gesetzen, von bestimmten Abläufen und ist somit kein Glaubensweg im konventionellen Sinne. Da Surtur und Loki symbolisch für Natur, Zerstörung und Wandel stehen, werden diese im Wotanismus ebenfalls besonders beachtet, jedoch liegt der Großteil der Konzentration immer noch bei Wotan selbst.